Interview
Hümmelchen und Dudey
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Nach Zeichnungen von Michael Praetorius (um 1600) rekonstruiert und auf heutigen Spielgebrauch hin optimiert, baut der derzeit einzige österreichische Dudelsackbauer Stefan Widhalm seine Instrumente. Zur aktuellen Dudelsack-Renaissance befragt ihn Katharina Thenius. |
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saitenweise: Wie bist Du auf die Idee gekommen,
Dudelsäcke zu bauen?
Stefan Widhalm: Das ist ein längerer Prozeß
gewesen – ich habe eigentlich nie geplant, Dudelsackbauen zu lernen. Ich
habe das Gymnasium gemacht – das Musikgymnasium, und irgendwann ist es
dann ernst geworden mit der Berufswahl. Mit Musik habe ich immer zu tun
gehabt – ich habe Cello gelernt und Klarinette – und wollte nicht studieren,
sondern ein Handwerk erlernen. Für Musikinstrumentenbau hab’ ich keine
Lehrstelle gefunden – das ist fast nicht möglich – deshalb hab’ ich
meine Ausbildung in der Schule für Musikinstrumentenbau in Hallstatt
gemacht. Das war eine allgemeine Ausbildung für Musikinstrumentenbau.
Dort war einmal ein Dudel-sackbauer zu Besuch, Michael Hofmann, und so
bin ich zum ersten Mal mit dem Dudelsack in Kontakt gekommen. Dann hat
sich für mich die Möglichkeit ergeben, bei Michael Hofmann in
Deutschland zu arbeiten. Eigentlich waren es nur wenige Monate, in denen
ich dort gearbeitet habe, aber in dieser Zeit bin ich in diesen Beruf hineingewachsen.
Nach dieser Zeit habe ich mich hier (Wien IX. Anm. d. Red.) niedergelassen,
und nach wenigen Monaten hab’ ich den Gang zur Innung gemacht. Von Anfang
an hat das recht gut funktioniert.
Besteht in Wien die Nachfrage nach einem Dudelsackbauer
bzw. -restaurator?
ST. W.: Dadurch, daß ich in Österreich
der einzige bin, der das macht, geht es ganz gut. Ich richte auch Dudelsäcke
her, aber das umfaßt nur 10% meiner Arbeit, das meiste ist Neubau.
Die Nachfrage ist eindeutig im Steigen. Dazu muß man sagen, daß
der Dudelsack ein Instrument ist, das bei uns total ausgestorben ist. Seine
Blütezeit war im 17. und 18. Jahrhundert. Seit den 80er Jahren gibt
es eine Renaissance, und durch diese Renaissance kann ich leben! Vor zwanzig
Jahren hätt’ ich noch kein Geschäft aufmachen können.
Gibt es Gründe für diese Renaissance?
St.W.: Einerseits ist es ganz natürlich,
daß alte Dinge wieder in Mode kommen. Zweitens hat der Dudelsack
einen ganz eigenen Reiz, einen eigenen Charakter, den man nicht mit einem
anderen Instrument vergleichen kann. Ein Grund dafür, warum der Dudelsack
ausgestorben ist, war der, daß er nicht so wendig war. Heute haben
wir neue Materialien, neue Techniken, und wenn wir diese in den Dudelsackbau
einsetzen, dann ist der Dudelsack auch weiterentwickelbar. Heute werden
wesentlich bessere Dudelsäcke gebaut als vor 200 Jahren. Sie sind
wendiger und werden lieber gespielt, weil sie halt einfach besser funktionieren.
Kannst Du uns zu den Materialen etwas sagen?
St. W.: Für den Sack verwendet man eine Tierhaut
– ich verwende Rindsleder. Es wird auch Schaf, Ziege und Hund verwendet,
oder sogar ein Autoschlauch oder Gore-tex. Das ist aber nicht der Kern
des Instrumentes. Der Kern ist, wie es in der Pfeife ausschaut: die Pfeifen
sind aus Holz gemacht. Dazu verwende ich ein möglichst hartes und
dichtes Holz. Da ich heimische Dudelsackarten baue, verwende ich hauptsächlich
heimische Hölzer, z.B. Zwetschke, Birne, Flieder, Ahorn. Für
die Rohrblätter verwende ich Schilfrohr, immer mehr auch Kunststoff,
z.B. aus Joghurtbechern.
Du sagst, daß Du hauptsächlich den heimischen
Dudelsacktyp baust. Kannst Du uns etwas über die anderen Instrumente
sagen?
St.W.: Der Dudelsack ist ein sehr altes Instrument,
sicher schon über 2000 Jahre alt. Seine Herkunft ist Asien – nicht
Schottland! Er ist vom Osten langsam zu uns gekommen. Dabei hat es zwei
Wege gegeben: einen Weg über Nordafrika nach Westeuropa und Schottland.
Dort war der Dudelsack im 11. Jahrhundert vorhanden. Bei uns in Mitteleuropa
gibt es ihn sicher seit dem 14. Jahrhundert. Eventuell hat es ihn schon
früher gegeben, da die Römer den Dudelsack schon gekannt haben.
Vielleicht haben die ihn schon zu uns gebracht.
Bei uns sind zylindrische Dudelsackarten beheimatet,
sie sind eher lieblich und zart im Klang.
Zylindrisch heißt, daß die Pfeife...
St. W.: Ja, die Innenbohrung der Pfeife ist zylindrisch.
Hauptsächlich mit einfachem Rohrblatt, teilweise auch mit doppeltem.
Bekannte Vertreter, wie ich sie auch baue, sind „Hümmelchen“, „Dudey“,
„Böhmischer Bock“, „Drei-brümmchen“ und die „Schä-ferpfeife“.
Das sind die wichtigsten heimischen Dudel-sackarten.
In Westeuropa sind die Instrumente mit konischer Bohrung
vorrangig vertreten, meist mit Doppelrohrblatt. Sie sind wesentlich lauter,
teilweise überblasbar. Mittlerweile sind das auch unsere Dudelsäcke
- ich habe da ein bißchen Entwicklungsarbeit gemacht.
Welches ist Dein Lieblingstypus, welche Instrumente
baust Du am liebsten?
Ich baue im Moment noch nur „Hümmelchen“ und „Dudey“,
demnächst auch „Böhmischen Bock“. Für Spezialbestellungen
hab’ ich auch schon andere gebaut. Aber meistens sind es „Hümmelchen“
und „Dudey“, also die heimischen Arten.
Was ist das Faszinierende an der Dudelsackmusik?
St.W.: Sagen wir so: so ein Dauerton hat’s in
sich. In der Begleitung ist der Dauerton da – das nennt man Bordun. Durch
diese liegende Begleitung wird eine enorme Spannung erzeugt, und man kann
einen irrsinnig weiten Bogen spannen. Da ist Kraft dahinter. Das ist das
eine. Und andererseits ist da die Melodie, die eigentlich auch ein Dauerton
ist. Man setzt nie ab. Das ist wie ein Bach – der fließt auch die
ganze Zeit. Mit einem Dudelsack ist dieser Fluß sehr leicht zu erzeugen
im Vergleich zu anderen Instrumenten. Es ist schwer mit Worten zu beschreiben
– mich fesselt’s einfach. Man kann süchtig werden! Manchen Leuten
ist das zu viel, deshalb gibt es keine Grauzone. Entweder man mag es, oder
man mag es nicht. Natürlich entstehen durch die Begleitung, die immer
gleichbleibt, mit der Melodie Dissonanzen. Das kann anstrengend werden,
aber ich mag’s. Ich mag Dissonanzen, wenn sie wieder in Konsonanzen aufgelöst
werden. Das ist wie das Leben: im Leben geht auch nicht alles von selbst.
Das Leben ist deshalb interessant, weil es Schwierigkeiten gibt. Diese
Schwierigkeiten sind wichtig, aber natürlich auch ihre Lösungen
– das gehört dazu! Und das ist vielleicht auch das Schöne an
der Dudelsackmusik.
Vielleicht interessiert unsere Leser zum Schluß
noch, wo man Dudelsackspielen lernen kann.
St.W.: Man tut sich wesentlich leichter, wenn
man schon ein Blasinstrument gespielt hat. Es ist auch gut, wenn man schon
ein bißchen mit der Musik vertraut ist. Eine Möglichkeit ist
Privatunterricht: es gibt einige Leute – darunter auch ich, die Unterricht
geben. Eine andere Möglichkeit sind Kurse: es gibt mehrmals im Jahr
in Österreich Kurse, wo Dudelsack unterrichtet wird. Das hat noch
dazu den Vorteil, daß man da nicht ein eigenes Instrument braucht,
man kann auf einem Leihinstrument spielen. Da kann man einmal „hineinschnuppern“,
probieren.
Und Du veranstaltest auch selbst Kurse?
St.W.: Sagen wir einmal so: ich unterrichte, ich
muß das nicht selbst organisieren. Das machen zum Glück andere.
Vielen Dank für das Gespräch.
Stefan Widhalm
Erste österreichische
Dudelsackwerkstätte
Liechtensteinstraße 91/2
A-1090 Wien
Tel./FAX: 01 / 319 02 61