25. Jänner 1997
Kolumne
Wege zur Musik
Gedanken über die Attraktivität des musikalischen Ausbildungsangebotes für die Jugend in Österreich von Florian Wilscher.
Meine Überlegungen möchte ich mit folgender kurzer Betrachtung beginnen: Es ist eine Tatsache, daß von Musikschule zu Musikschule, von Konservatorium zu Konservatorium, von Bundesland zu Bundesland, aber auch von Hochschule zu Hochschule eine oft sehr unterschiedliche Gewichtung im Ausbildungsangebot besteht. Die einen setzen ihr Hauptgewicht voll und ganz auf eine klassische Solo-Ausbildung in Technik und Literatur, andere wiederum forcieren auch Volks- und Kammermusik bzw. Jazz und Popmusik, und ganz wenige nehmen zeitgenössische Musik in ihr Programm auf. Zudem besteht meines Dafürhaltens auch ein gewichtiger Unterschied zwischen der Bläserausbildung und der Ausbildung von Streichern und Pianisten - Bläser spielen im Regelfall mehr Kammermusik und auch mehr Popularmusik. Man kann hier also, aufgrund der Unterschiedlichkeit der einzelnen Ausbildungsstätten, weder global verdammen, noch in den Himmel heben.
Dennoch glaube ich, ein gesamtösterreichisches Ungleichgewicht zu sehen, was die Förderung der verschiedenen Musikrichtungen betrifft. Der Solo-Unterricht in barocker bis romantischer Musik nimmt mit Sicherheit den weitaus größten Teil - weit mehr als die Hälfte - der angebotenen Ausbildungsmöglichkeiten ein. Ein ungleich kleinerer Anteil kommt der Volksmusik, sowie der Kammermusik, die doch eine positive Entwicklung jedes jungen Menschen - vor allem im sozialen Bereich - besonders fördert, zugute, und die Musikrichtungen Jazz/Pop/Funk etc. oder gar zeitgenössische Kompositionen fristen leider ein Zwergendasein im Ausbildungsangebot für die musikinteressierte Jugend. Eine solch ungleiche Verteilung empfinde ich als Hemmschuh für die Zukunft und Entwicklung unseres ,Musiklandes Österreich".
Auch bin ich überzeugt, daß es überhaupt nicht sinnvoll, sondern vielmehr ein Schritt in die entgegengesetzte Richtung ist, aus der Angst, die Popularmusik könnte die Musik der vergangenen Jahrhunderte ins Abseits drängen, nur die sog. ,klassische Musik" anzubieten und zu fördern.
Ich glaube vielmehr, daß jede Facette des musikalischen Spektrums, jede Musikrichtung, ein Weg sein kann, die unendliche Vielfalt der Musik zu erfahren und schätzen zu lernen, sich vielleicht sogar später zu einer anderen Musikrichtung stärker hingezogen zu fühlen. Es darf keine einzige Musikrichtung - und für jede gibt es genügend Unterrichtsmaterial - im Ausbildungsangebot stiefmütterlich behandelt werden, denn am wichtigsten sollte es doch sein, daß allen jungen Menschen die Möglichkeit gegeben wird, auf ihre Art und über ihr musikalisches Interesse - ob das Klassik oder Popmusik ist, ist vollkommen gleichgültig - tiefer in die Welt der Musik eintauchen zu können.
Ich möchte aber noch einen weiteren Kritikpunkt anführen - die Werbung: sie ist auf dem Gebiet der musikalischen Ausbildung nahezu nicht vorhanden, wäre aber als ,cooler" und ,fetziger" Köder für die Jugend besonders wichtig, um mit anderen Freizeitangeboten (Sport, Computer, Caféhaus, ...) konkurrieren zu können. So wie z. B. ein Tennisclub lustige Turniere oder auch einmal einen ,Tennistag mit Thomas Muster" arrangiert, so müßten auch die Musikschulen bzw. alle anderen musikalischen Ausbildungsstätten nach ihren Möglichkeiten diverse ,Schmankerl" wie z. B. Workshops und Konzerte mit interessanten Themen, die sie mit flippigen Plakaten bewerben, ... anbieten. Nur so wird aktives Musikmachen auch nach außen hin konkurrenzfähig und ein attraktives Angebot für die Jugend!
All das könnte verwirklicht werden, wenn man von in- nen her dem ganzen musikalischen Spektrum genügend Platz bietet, und sich nach außen souverän, jugendlich und zeitgemäß präsentiert. Genau diese Richtlinien versucht ARTES IUVENTUTIS in all seinen Projekten zu verwirklichen, um Österreichs Musiklandschaft einen frischeren und jugendlicheren Anstrich zu verleihen.
Musikernachwuchs in Österreich - ein Problem?
Erwin Ortner, Rektor der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Wien, ist überzeugt, daß die musische Ausbildung in allen Lebensstufen gefördert werden müsse. ,Alle Initiativen, die helfen, diese Sensibilisierung voranzutreiben, möchte ich unterstützen." Damit ein junger Mensch ,künstlerische Reife erlange", müsse nicht nur das ,rein handwerkliche Problem" bewältigt werden, es sei auch ,ein entsprechendes Umfeld nötig", ist der Rektor der ,größten Musikhochschule der Welt" überzeugt, sieht aber auch - obwohl man heute nicht mehr selbst zu musizieren brauche, um Musik zu hören - ,eine neue Strömung zum Selbermachen." Matthias Finkentey, Generalsekretär des Österreichischen Musikrates, sieht hingegen kein reales Problem und meint, daß man ,Probleme auch herbeireden" kann - und überhaupt: ,Wo steht schon irgendetwas immer zum besten?" (Quelle: APA, 16. Jänner 1997)
Neben den laufenden Projekten des Vereins Artes Iuventutis - Jugend Musikcamp Edlitz und Kammermusiktage Thörl - sind bis zum Herbst 1999 folgende weitere Aktivitäten geplant:
In den Semesterferien 1998: ein fünftägiges Gesangsseminar für Jugendliche und Studenten, Piesting/NÖ In den Osterferien 1998: Orchester- und Kammermusiktage für unsere Kleinsten (5-10 Jahre), Wr. Neustadt Ab Juli 1998 werden in Edlitz zwei Sommercamps durchgeführt. Um eine altersspezifische Betreuung zu bieten, wird ein Kurs für die 9-15jährigen, und ein zweiter für Jugendliche von 16 bis 23 Jahren stattfinden. Ab dem Schuljahr 1998/99 werden auch im Westen Österreichs Kammermusik-Tage stattfinden (Innsbruck- Umgebung). Ein Kammerorchester-Projekt für 14-23jährige Musikerinnen und Musiker wird ab dem Schuljahr 1999/2000 mit regelmäßigen Proben ins Leben gerufen werden.