25. Jänner 1997
Analyse
Musiktheater im OFF - gibt's das überhaupt?
Über das Musiktheatergeschehen abseits von Staats-
und Volksoper.
Wo bleibt das Musik-Kindertheater? Ein Bericht aus Wien von Anna
Scheidl
Wenn man Montag abends so die Zeitung aufschlägt und überlegt, wohin man denn am besten ins Theater gehen soll - schweres Unterfangen. Eine Show gefällig? Ein nettes Musical... in die Oper - hm, nein, es sollte mal etwas Neues sein, etwas anderes, ein Abend der sich nicht in einem etablierten Haus abspielt. Also, was gibt's - äh, nichts Besonderes. Ein Anruf von einer Kollegin - sie hat Karten für "Beauty and the Beast". Der Abend gerettet (denk' ich) und schon geht's los. Ich bin gespannt.
Im Theater. Ich sitze in einem nur halb gefüllten Zuschauerraum, und, nachdem ich den regulären Preis auf meinen Regiekarten erblicke, wundert mich das auch gar nicht mehr. Aber nun ist es so weit. Die Lichter gehen aus, der Vorhang hebt sich. Es erklingt Peter Wecks Stimme "Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, daß das Photographieren..." Endlich Musik. Vor mir spult sich eine unglaubliche Show an Bühnentechnik, Licht, Bewegung und Choreographie ab. Ich sitze mit weit aufgerissenen Augen und (ich gestehe) offenem Mund vor dieser unfaßbaren Fülle an "sich von selbst bewegenden" Bühnenbildern!!! Phantastisch - denke ich zuerst. Und nachdem ich völlig erschlagen von dieser gigantischen Vorstellung nach Hause trabe, ist mein zweiter Gedanke: von Geschichte keine Spur. Und ich beginne zu überlegen. Was bleibt von solch einem Abend? Wie wenig bekommt man als Zuschauer von dieser Aufführung geschenkt und kann man mit sich nehmen. Ich denke zurück an meine letzte gute Musikshow, und mir fallen die "Geschwister Pfister" ein, eine 4-köpfige Truppe aus der Schweiz, die eine wunderbare musikalische Revue auf die Beine gestellt hatten. Dahinter stand vor allem perfektes musikalisches Können und eine gute Idee, kaum Ausstattung, dafür umso mehr Spaß.
Aber man darf nicht ganz ungerecht sein: es gibt auch in Wien sehr ambitionierte Produktionen, wie z.B. "Cabaret" vom Beinhardt Ensemble, die zur Zeit im Museumsquartier spielen, oder "Sie liebt mich..." im Ronacher. Nur - auch diese Gruppen gehen eigentlich keine neuen Wege, obwohl sie die Möglichkeit dazu hätten. Ich denke da an eine Show in New York, die ich vor zwei Jahren gesehen habe: "Stomp" (stampfen), in der 10 junge Leute mit Hilfe von verschiedensten Gegenständen (von Mülltonnen bis zum Besen) oder Körperteilen Rhythmus und damit tatsächlich Melodien und Musik erzeugten!! Das absolut Beste, das ich je gesehen habe!
Zurück nach Wien. Ich hoffe, daß neue Wege gegangen werden. Eine Produktion, auf die ich allerdings schon sehr gespannt bin, ist "Die Bernfeld Revue", die ab Dezember im Rabenhof zu sehen ist. Aber das ist sicher nur etwas für Erwachsene.
Wo bleiben die Kinder? Es ist zwar die Kinderthea ter-Situation in der Vorweihnachtszeit sehr gut, und es gibt eine Fülle von Kindervorstellungen. Doch im Laufe des Jahres verebbt dieses Angebot dann zusehends.
Sehen wir uns diese Stücke trotzdem genauer an: Von ca. 10 Kinderproduktionen, gibt es nur ein Musical und die "Wiener Kinderoper". Vielleicht liegt die Ursache dafür in der gängigen Vorstellung und Umsetzung, daß jedes Kinderstück gleichzeitig auch sehr viele Lieder beinhalten muß. Und ich frage mich warum? Kann es sein, daß die - oft ohnedies sehr mageren - Inhalte mit Hilfe von verschiedensten Liedlein aufgebessert werden?!
Nun - abgesehen davon, ist ja auch ein Stück mit Musik noch lange kein Musical oder eine Oper! Gilt also weiterhin die Frage: Wo bleibt das Musiktheater für Kinder? Einen sehr wichtigen Beitrag dazu finden wir im Tourneetheater, wo es ein Kindertheater gibt, das (in Schulen) verschiedene Opernquerschnitte und Zusammenfassungen zur Aufführung bringt. Für mich eine der schönsten Formen des Musikunterrichtes!
Und in diesem Sinne hoffe ich auch, daß die Idee von Kulturstadtrat Peter Marboe, in Wien ein fixes Haus für Kindertheater zu schaffen, Früchte tragen wird, daß es vielleicht endlich einmal ein großes internationales Kindertheater-Festival geben kann. Ein Haus in dem verschiedenste Formen des Theaters präsentiert werden können. In dem es eventuell auch Projekte, wie "Kinder spielen für Kinder", geben kann. Das wünsche ich mir.
Gerade für Kinder, die in nächster Generation als Erwachsene unser Gesellschaftsbild prägen werden, und an denen genau jetzt soviel an musikalischer Erziehung eingespart wird....