Saitenweise.  . . . . . . . . . .30. Juli 1998 . . . . . . . . . . Nummer 6

Kommentar

Der Zeit ihre Kunst, der Kunst ihre Rechte

Am 8. Juli 1998 wurde im Nationalrat das neue Studien- und Organisationsrecht verabschiedet. Ein kritischer Bericht von Barbara Dorfmann

Hochschule Wien

Eine Veränderung der bestehenden Kunsthochschulgesetze würde eine Gefahr für das Musikland Österreich bedeuten, konnte man im vergangenen Winter des öfteren in der Zeitung lesen. Nun, sie haben sich geändert: in der Nationalratssitzung vom 8. Juli 1998 wurde das neue Studien- und Organisationsrecht verabschiedet, was in erster Linie eine Eingliederung der Kunsthochschulen in den Universitätenverband bedeutet. Dies stellt einerseits den Abschluß eines mehrjährigen Arbeitsprozesses dar und bildet andererseits den Startschuß für die Um- bzw. Neugestaltung von Organisationsstrukturen, Studienplänen usw., die bis zum Herbst des Jahres 2002 abgeschlossen sein muß. Wenngleich nicht eklatant sichtbar, Anlaß für eine tiefgreifende Reform am Kunsthochschulsektor hat es genug gegeben: mehr Effizienz, mehr Vernetzung, mehr Durchlässigkeit sind dringend notwendig. Ziel ist u.a., das Studienangebot so frei zugänglich wie möglich zu machen, damit sich die Studierenden sozusagen abholen können was sie brauchen. Dem Wissenschaftsministerium ist es auch ein Anliegen, den Universitäten mehr Autonomie in Organisationsfragen einzuräumen, d.h. sie zur Teilrechts- bzw. Vollrechtsfähigkeit zu führen.

Die Gegenstimmen waren laute und nicht wenige: Dem Ministerium gehe es nur ums Sparen, die Kunsthochschulen seien kaum in die Diskussion einbezogen worden, man könne mit den alten Gesetzen wunderbar leben, hieß es immer wieder. Daß die Kunsthochschulen plötzlich zu Kunstuniversitäten werden sollen, kam für manche einer Bankrotterklärung an die Kunst gleich. Dabei ist es vielen Vertretern der Kunsthochschulen in den vergangenen Jahren darum gegangen, eine gesetzliche Gleichrangigkeit in bezug auf die Universitäten zu erzielen – was übrigens auch in der österreichischen Verfassung vorgesehen und somit erfüllt ist. Dies bedingt z.B. eine Gleichwertigkeit der Studientitel, was in Fragen Monatsgehalt sicher nicht unwesentlich sein wird.

...mehr Eigen-verantwortung bei Studienplänen...

Ein einheitlicher Gesetzesrahmen bedeutet aber auch mehr Kompatibilität der einzelnen Studiensysteme. So sollte es in Hinkunft leichter möglich sein, an der Universität oder innerhalb anderer Studienrichtungen absolvierte Lehrveranstaltungen für das eigene Studium angerechnet zu bekommen. Auf diese Weise vergrößert sich das Lehrangebot automatisch um ein Vielfaches, was, zusammen mit der erhöhten Anzahl an Wahlfachstunden, mehr Wahlfreiheit, aber auch mehr Eigenverantwortung in der Gestaltung des Studienweges mit sich bringt. Daß neben Qualität immer mehr auch Individualität und Kreativität gefragt sind, wenn es darum geht, einen Job zu finden, zeigt ein Blick auf die Musikbranche, deren Berufung auf die Tradition einerseits immer anachronistischer zu werden scheint und deren Suche nach einer eigenen, zeitgemäßen Form (jenseits von E und U) andererseits viele Nischen für Leute mit neuen Ideen offenhält. Die Ausbildung den tatsäch- lichen Berufsbedingungen anzupassen, war in der Reformdiskussion ein zentrales Anliegen: Das Ausbildungssystem an den österreichischen Musikhochschulen scheint in den letzten Jahren die Diskrepanz zwischen einem Konzertfach- und einem Pädagogikstudium massiv gefördert zu haben.

In der „Realität” sind die beiden Bereiche miteinander sehr verzahnt: so kommt kaum ein Konzertfachabsolvent ohne Unterrichtstätigkeit aus, und für Musikpädagogikabsolventen bleibt die konzertistische Komponente wesentlich, wollen sie ihre Schüler musikalisch inspirieren. Daraus resultierte der Versuch, die bisher getrennten Studienrichtungen in eine einheitliche zusammenzufassen. Zu der vieldiskutierten Zusammenlegung ist es zwar nicht gekommen, doch wird einerseits die zu erwartende Auflösung der Abteilungsstruktur eine stärkere Vernetzung zwischen den einzelnen Studienrichtungen mit sich bringen, und andererseits die Neuerstellung der Studienpläne die Etablierung von relevant erscheinenden Lehrinhalten wie Pädgogik für Konzertfachstudenten ermöglichen. Anstelle von Abteilungen sollen studienrichtungsübergeordnete Institute treten, welche die verschiedenen Studienrichtungen mit Lehrveranstaltungen beschicken. Durch die Tatsache, daß es immer nur ein Institut pro Fach geben darf, lassen sich Mehrgleisigkeiten, wie z.B. das derzeitige Bestehen von mehreren Instituten für Musikgeschichte, vermeiden. Laut Wissenschaftsministerium geht es insgesamt um die sinnvolle Zusammenführung von Studieninhalten und Organisationseinheiten, um auf diese Weise frei werdende „Energien” für neue Inhalte zur Verfügung zu haben.

Daß es dem Ministerium entgegen allen Vermutungen nicht in erster Linie um Sparen gegangen ist, zeigt die Tatsache, daß die in anfänglichen Entwürfen deutlich herabgesetzte Zahl der vorgesehenen Semesterwochenstunden wieder ungefähr auf die z.Z. bestehenden Kontingente aufgestockt wurde. Eine größere Veränderung gibt es hingegen hinsichtlich der Studiendauer, welche in den Konzertfächern allgemein von acht auf sechs Jahre gesenkt wurde (mit zweisemestriger Wiederholmöglichkeit). Diese Maßnahme wurde als Angleichung an internationale Standards begründet: Auch mit sechs Jahren Grundausbildung liege Österreich noch im Spitzenfeld, acht Jahre seien überhaupt Weltrekord. Wer länger an einer österreichischen Musikhochschule studieren will, kann dies in einem zweijährigen postgradualen Lehrgang tun, welcher kostenpflichtig sein wird. Gedacht sind diese Lehrgänge wohl auch v.a. für Absolventen ausländischer Hochschulen, die eigentlich nicht an einem Grundstudium interessiert sind, bisher aber kaum Möglichkeit hatten „quereinzusteigen” und somit mitunter zu einer Wettbewerbsverzerrung beigetragen haben. Auf der anderen Seite werden die Vorbereitungslehrgänge aufgewertet, um trotz des auf 17 Jahre angehobenen Eintrittsalters ins ordentliche Studium, jungen Talenten einen frühen Kontakt mit einer Musikhochschule zu ermöglichen. Diese Lehrgänge werden übrigens weiterhin kostenfrei sein.

Die Kunsthochschulreform, so wie sie am 8. Juli „abgesegnet” worden ist, stellt sicherlich kein Jahrhundertwerk dar, das für alle im österreichischen Bildungssystem und Musikleben derzeit bestehenden Schwierigkeiten eine Patentlösung bereithält, zumal die Ursachen dafür in vielen Fällen außerhalb des Kunsthochschulbereichs liegen. Das Gute und weniger Gute zugleich am Unistudien- wie am Kunstuniversitätsorganisationsgesetz ist die Tatsache, daß es Rahmengesetze sind, d.h. viel Gestaltungsspielraum und Entscheidungsautonomie ermöglichen. Man kann alles daraus machen oder nichts. In jedem Fall kommt noch eine Menge Arbeit auf die Kunstunis zu – wobei wir beim „Guten” wären – oder beim weniger „Guten”?

Barbara Dorfmann studiert Schulmusik und Englisch, war Herausgeberin und Redakteurin der Hochschul-Studentenzeitung „Tritonus“ und an der Diskussion um das neue Gesetz als Studentenvertreterin aktiv beteiligt.


made by Werner Goebl, 12.08.1998